Mit mir und der Welt zufrieden nehme ich einen Schluck aus dem Stubbi und richte meinen Blick gen Sternenhimmel. Vor ein paar Minuten habe ich der ISS vorerst das letzte Mal dabei zugesehen, wie sie Deutschland überflogen hat. Hier auf dem Land ist die Lichtverschmutzung nicht so hoch wie bei uns in Aachen und direkt hinter dem B&B, in dem wir nächtigen, haben wir Dank der angrenzenden Felder freie Sicht auf den Himmel, perfekte Bedingungen zum Sternegucken also. Und ruhig ist es hier – herrlich. Das Dorf Millen im Selfkant hat nur ca. 325 Einwohner und zwei von ihnen betreiben mit ganz viel Liebe zum Detail und Herzblut das B&B Millen. Mein Mann und ich wohnen in dem kleinen Doppelzimmer links vom Scheunentor, rechts davon nächtigt an diesem Wochenende ein niederländisches Pärchen. Auch unsere Vermieter sind Niederländer und während unseres Wochenendes im westlichsten Zipfel der Republik haben wir oft das Gefühl, gar nicht in Deutschland zu sein. Da kommt richtig Urlaubsstimmung auf.
Am westlichsten Punkt Deutschlands
Nach einem leckeren, liebevoll zubereiteten Frühstück im B&B Millen wollen wir nach Havert starten, wo wir uns mit Brigitte Kempny treffen, um zum westlichsten Punkt Deutschlands zu radeln. Doch heute ist irgendwie der Wurm drin: Unsere Begleiterin erzählt mir am Telefon, dass es mit der Radtour leider doch nicht klappt und wir stattdessen eine kleine Wanderung unternehmen werden, außerdem würde sie etwas später am vereinbarten Treffpunkt ankommen. Kein großes Problem bis hierhin. Ein paar Minuten nach dem Telefonat springt unser Auto dann nicht an. Zum Glück kennen wir unsere alte Dame und können das Problem – wenn auch nicht die Ursache – recht fix beheben. Unser Treffen mit Brigitte Kempny müssen wir allerdings ein weiteres Mal nach hinten schieben.
Als wir an der Kirche in Havert ankommen, sitzt unsere Begleiterin bereits im Schatten der Bäume und erwartet uns. Wir begrüßen uns kurz und fahren dann gemeinsam zu einem Wanderparkplatz in Isenbruch, denn für eine Wanderung direkt von Havert aus ist es heute einfach zu heiß. Also verkürzen wir das Ganze etwas und spazieren von Isenbruch zum westlichsten Punkt Deutschlands, der von einer roten Säule markiert wird, die mitten in einem kleinen Bach steht. Setzt man sich auf die dazugehörige Bank, dann befindet man sich mit seinem Hinterteil in den Niederlanden und gleichzeitig mit den Füßen in Deutschland.
Wir laufen noch ein Stückchen weiter und umrunden den Westzipfel, so dass wir ihn beim zweiten Mal von den Niederlanden aus ansteuern. Anschließend werden die Füße im Bach gekühlt und die Informationstafeln studiert. Bevor wir in der prallen Sonne zerfließen, treten wir den Rückweg zum Auto an. Es geht auf Mittag zu und so langsam wird es außerhalb des Schattens unerträglich.
Kurz mal in Sittard vorbeischauen
Direkt hinter der Grenze schließt sich an den Selfkant die niederländische Provinz Limburg an. Hier liegt auch die Kleinstadt Sittard, die wir am Nachmittag ansteuern. Am Rande der Innenstadt parken wir unser Auto und schlagen dann den Weg Richtung Marktplatz ein. Hier tobt das Leben: Während direkt auf dem Platz Blumen, Fisch, Käse und vieles mehr verkauft werden, sind die umliegenden Cafés gut besucht – vor allem die schattigen Plätze sind heute heiß begehrt.
Die verwinkelten Gässchen der Altstadt bestechen durch viele ausgefallene Läden und Boutiquen. Nicht umsonst ist Sittard als Stadt überschwänglicher Lebenslust bekannt.
Sittard erinnert ein bisschen an Maastricht und sehr gerne würde ich den Nachmittag damit verbringen, durch die kleinen Straßen zu spazieren und die hübschen Häuser zu fotografieren, doch das ist heute einfach nicht drin. Selbst mir ist es mittlerweile zu warm zum durch-die-Gegend-Laufen. Also suchen auch wir uns in einem der vielen Gastronomien am Marktplatz einen schattigen Platz und beobachten bei Eiskaffee und Eistee das Markttreiben.
Den Rest des Tages verbringen wir lieber mit Nichtstun auf dem Hof unseres B&B in Millen und spazieren von dort am Abend in den Nachbarort Tüddern, um etwas zu essen und uns anschließend noch einen Eisbecher zu gönnen.
Wildpark Gangelt
Für die Rückfahrt nach Aachen wählen wir die Route über Gangelt und verbringen den Sonntag im Wildpark. Der Parkplatz links und rechts vom Eingang ist schon gut gefüllt, doch im 50 ha großen Park fällt das nicht weiter ins Gewicht. Wir kaufen zwei Eintrittskarten und eine Tüte Futter, mit dem fast alle Tiere des Parks gefüttert werden dürfen. Achtung: Am Kassenhäuschen ist Kartenzahlung möglich, im parkeigenen Restaurant jedoch nicht.
Dankbar für die schattenspendenden Bäume schlendern wir am Damhirsch-Gehege vorbei, das fast die gesamte Ostseite des Parks einnimmt, und füttern die gierigen Tiere. Der Fischotter ist leider seit einiger Zeit allein, weil sein Mitbewohner verstorben ist und laut des anwesenden Tierpflegers derzeit keine anderen Tiere zur Verfügung stehen. Etwas wuseliger geht es da bei den Waschbären zu, die neugierig an den Zaun kommen und sogar einige noch recht tapsige Jungtiere im Schlepptau haben.
Während die restlichen Tiere meist im Schatten dösen, ist bei den Wildschweinen Rambazamba angesagt. Hier wird um jede Eichel gestritten und wir erleben, wie aggressiv die borstigen Waldbewohner sein können. Ich finde Schweine grundsätzlich toll, doch einem Wildschwein möchte ich nicht in freier Wildbahn begegnen- erst recht nicht, wenn Frischlinge dabei sind.
In der Falknerei ist zwar für 14:00 Uhr eine Freiflugshow angekündigt, doch auch den Vögeln ist es einfach zu warm. Deshalb wurde in den letzten Tagen gänzlich auf Vorführungen verzichtet und auch heute wird aus Rücksicht auf die Tiere, die lieber in den schattigen Bäumen sitzen bleiben statt über den Köpfen der Zuschauer ihre Kreise zu drehen, nach kurzer Zeit abgebrochen.
Die Sache mit dem Zipfelpass
Einige von euch haben sich sicherlich bereits bei der Überschrift dieses Artikels gefragt, was denn ein Zipfelpass ist. Auch in den sozialen Netzwerken ist mir diese Frage während meines Wochenendes im Selfkant einige Male gestellt worden.
Die vier äußersten Regionen Deutschlands haben sich 1999 zum sogenannten Zipfelbund zusammengeschlossen. Hierzu gehören: Oberstdorf im Süden, List auf Sylt im Norden, Görlitz im Osten und eben der Selfkant im Westen.
Die vier Zipfelgemeinden verpflichten sich, den Austausch auf Verwaltungsebene genauso zu pflegen wie die Koordination und die gemeinsamen Aktivitäten im bürgerschaftlichen Engagement.
Die vier Gemeinden bieten für Reisende den Zipfelpass an, in dem Stempel aus eben diesen vier Zipfeln gesammelt werden können. Hierfür muss mindestens eine Übernachtung in dem jeweiligen Ort nachgewiesen werden. Schafft man es, innerhalb von vier Jahren alle vier Stempel zu sammeln, erhält man ein Zipfelpaket mit regionalen Produkten.
Ich habe mir meinen Pass und den ersten Stempel letztes Jahr in Oberstdorf zugelegt und in diesem Jahr den zweiten Stempel im Selfkant erhalten. Dort übrigens im Bauernmuseum Tüddern bzw. im dazugehörigen griechischen Restaurant. Bereits alle vier Stempel gesammelt und in den Genuss des Zipfelpakets gekommen ist meine Bloggerkollegin Meike.
Infos und Links
- Im B&B Millen haben wir uns rundum wohl gefühlt. Wer sich im Selfkant eine kleine Auszeit gönnen möchte, dem kann ich diese gemütliche Unterkunft ans Herz legen.
- Zum Essen sind wir in den Nachbarort Tüddern gelaufen, der einige Restaurants zu bieten hat. Empfehlen kann ich auch die Eisbecher im Eisparadies Penners.
- Infos zum Selfkant im Heinsberger Land und zum westlichsten Punkt Deutschlands gibt es hier bzw. hier.
- Über Sittard könnt ihr euch hier informieren.
- Alle wichtigen Infos zum Wildpark Gangelt – wie Öffnungszeiten, Eintrittspreise usw. – findet ihr hier.
- Und wenn ihr euch näher über den Zipfelbund informieren und euch vielleicht auch einen Zipfelpass zulegen möchtet, dann seid ihr hier richtig.
Vielen Dank an das B&B Millen sowie das Heinsberger Land für die Einladung, im Selfkant zu übernachten. Mein besonderer Dank gilt dem Ehepaar Ebbeling, das einfach ein wundervoller Gastgeber ist, und Brigitte Kempny für die kurze aber informative Tour zum westlichsten Punkt Deutschlands. Meine Meinung ist durch die Einladung nicht beeinflusst worden und wie immer meine eigene.
In Gangelt ist mein Zahnarzt ;-) Ich bin dennoch gern dort. Eine tolle Landschaft und Gegend. Danke für die Fotos. LG Tanja