Als wir nach dem Frühstück in unserem Hotel aufbrechen und die Strandpromenade von Port de Sóller entlang laufen, kommen uns bereits gut gefüllte Straßenbahnen entgegen, die Touristen aus Sóller in die schöne Bucht ans Meer bringen. Wir hingegen wollen nach Sóller, aber nicht mit der Straßenbahn, sondern zu Fuß. Um zum Einstieg des Wanderweges zu gelangen, müssen wir zunächst die Bucht umrunden und auf der gegenüberliegenden Seite den ersten Anstieg für heute meistern. Wir lassen die Touristen, Restaurants und Cafés hinter uns und folgen der Straße, die sich den Berg hinauf schlängelt, bis zum Leuchtturm Far del Cap Gros. Wenige Meter weiter treffen wir dann auf den ersten Wegweiser mit der Aufschrift Sóller. Allerdings entscheiden wir uns dagegen, diesem zu folgen und biegen nach rechts auf den Weg ab, der laut unserer Wander-App näher an der Küste verläuft.
Über einen Trampelpfad nähern wir uns zunächst stetig der Küste und laufen ersteinmal wieder bergab. Abgesehen von zwei Frauen mit ihren Hunden begegnen wir für lange Zeit niemandem. Stattdessen haben wir die wunderschöne Natur mit ihren Bäumen, Sträuchern und Felsen ganz für uns alleine. Es dauert nicht lange, bis der Trampelpfad und die Natur miteinander verschwimmen. Um den richtigen Weg zu finden, müssen wir nach auf den Felsen aufgesprühten Punkten in lila und Steintürmchen suchen. Und wenn wir doch einmal ratlos in der Pampa stehen, hilft meist ein Blick in die Wander-App. Immer Ausschau nach dem nächsten Wegweiser haltend, laufen wir über kurzes Gras, Wurzeln und kleinere Felsen. Letzte werden stetig größer und irgendwann stehe ich mit einem Fragezeichen im Gesicht vor einem, der viel größer ist als wir.
“Da soll ich hoch?” Der lila Punkt auf dem Fels und ein Blick in die Wander-App bestätigen meine Vermutung. Vorsorglich verstaue ich Handy und Kamera im Rucksack. Das Erklimmen des Felsens erweist sich als keine große Herausforderung, da er nicht besonders steil ist und es genügend Stellen gibt, an denen wir uns festhalten und unsere Füße abstellen können. Schnell sind wir oben und genießen die fantastische Aussicht auf das Meer und die Küste von Mallorca. Das Kraxeln macht Spaß und zu meiner Freude geht es eine ganze Weile weiter felsauf und felsab. Nur das Donnergrollen in der Ferne macht mir ein wenig Sorgen. Deshalb beschließen wir, möglichst nicht zu trödeln und auf schnellstem Wege wieder aus der Felsenlandschaft herauszukommen.
Die Markierungen führen uns weg von der Küste und hinunter in ein Tal, um uns schließlich auf der anderen Seite erneut über Felsen und kaum sichtbare Trampelpfade hinauf zu schicken. Egal wie die restliche Strecke aussehen wird, die Wanderung begeistert mich jetzt schon. Das sind Wege, die mir richtig Spaß machen. Und die Landschaft ist einfach ein Träumchen. Zum Glück haben wir auch schon seit einer Weile nichts mehr vom Gewitter gehört. Auf unserem Weg nach oben holen wir drei Mädels mit ihrem Hund ein, denen wir über die Felsen bis zu einer Straße folgen. Dort herrscht ersteinmal allgemeine Verwirrung, weil wir vor einem Zaun stehen und eine Weile brauchen, den Ausgang zu finden. Ein gutes Stück laufen wir anschließend gemeinsam die Straße entlang und kommen ins Gespräch. An einer Kreuzung trennen sich unsere Wege wieder. Die Mädels sind auf einer Rundwanderung und wollen in einem Bogen wieder zurück nach Port de Sóller.
Als wir auf die Straße Ma-10 treffen, setzt der Regen ein. Also stellen wir uns kurz vor dem dort gelegenen Hotel unter und checken die Wander-App. Wenn mich nicht alles täuscht, müsste die Finca, in der es leckeren Kuchen und frisch gepressten O-Saft geben soll, ganz in der Nähe sein. Eine kurze Recherche bestätigt mein Gefühl und wir entscheiden, trotz Regen weiterzugehen und in der Finca Son Mico eine Pause einzulegen. Also überqueren wir die Ma-10, folgen dem kurvigen Weg ein Stück bergauf und biegen schließlich an der Capella de Castelló scharf rechts ab. Es folgt ein kurzes, aufgrund des Regens recht rutschiges Stück Weg mit Kopfsteinpflaster und dann stehen wir auch schon vor der hübschen Finca Son Mico.
Erstmal raus aus dem Regen und rein in die gute Stube. Wir betreten die Finca durch ein großes Tor und stehen in einem hohen Raum, dessen Wände und Boden aus groben Steinen gebaut wurden. Rechts von uns befindet sich eine kleine Theke, auf der unterschiedliche Kuchen aufgereit sind, die uns schon das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Die Dame hinter der Theke begrüßt uns mit einem Lächeln im Gesicht und erzählt uns, welche Kuchen sie heute im Angebot hat – alle selbst gebacken. Normalerweise gibt es auch herzhafte Quiche, aber die ist für heute dank einer Reisegruppe komplett ausverkauft. Das macht uns gar nichts, denn wir haben Kuchenhunger. Wir entscheiden uns für ein Stück Zitronentarte, ein Stück Orangenkuchen mit Baiser und zwei Gläser frisch gepressten Orangensaft. Die Leckereien verputzen wir auf bequemen Stühlen direkt in dem großen Eingangsraum, beobachten die Besucher, die sich zwischen einem kleineren Raum nebenan und der Theke bewegen und spendieren der alten Katze des Hauses ein paar Streicheleinheiten.
Als wir die Finca wieder verlassen, hat sich der Regen verzogen und wir genießen noch ein wenig die herrliche Aussicht, die wir von der Terrasse vor dem Gebäude haben. Ein richtig schöner Ort, den ich euch für einen Zwischenstopp auf einer Wanderung definitiv ans Herz legen kann. Nach meiner Information hat das Café in der Finca von Februar bis Juni und von September bis November geöffnet.
Der Weg führt uns jetzt eine ganze Weile lang an Olivenplantagen vorbei, auf denen vereinzelt ein paar Schafe im Schatten dösen. Auch das ein oder andere Haus steht auf diesem Abschnitt am Wegesrand und ganz allgemein ist es hier nicht mehr so einsam wie zu Beginn unserer Wanderung. Bergauf geht es jetzt nicht mehr. Im Gegenteil: Wir sind seit unserem Zwischenstopp etwa eine halbe Stunde unterwegs und können zum ersten Mal Sóller unten im Tal erblicken. Ab hier führt unser Weg stetig bergab. Außerdem werden die Olivenplantagen von Zitronen- und Orangenbäumen abgelöst, an denen zahlreiche gelbe und orangfarbene Früchte hängen. Zweimal kreuzen wir auch die Schienen, auf denen der Tren de Sóller zwischen Palma und Sóller verkehrt. Ein Blick auf den Online-Fahrplan verrät uns, dass in nächster Zeit kein Zug vorbei kommen wird.
Kaum haben wir die Stadt erreicht, ist es mit der Ruhe schlagartig vorbei. Wir sind zurück in der Zivilisation, zurück im Gewusel. Durch die engen Gassen suchen wir uns einen Weg ins Stadtzentrum und gönnen uns dann wie bei unserem letzten Besuch ein leckeres Eis bei Gelat Sóller. Nach einem kurzen Bummel durch die Einkaufsstraße spazieren wir zum Bahnhof und fahren bei der nächsten Gelegenheit mit der Straßenbahn zurück nach Port de Sóller, das die meisten Tagestouristen bereits verlassen haben. Praktischerweise befindet sich die Endhaltestelle der Bahn direkt vor unserem Hotel und so ist der Weg bis zur erfrischenden Dusche nicht weit.
Die Wanderung ist laut unserer Wander-App 11,5 Kilometer lang und dauert ohne Pausen etwa 3, 5 Stunden. Sie wird als mittelschwer eingestuft, was ich so auch bestätigen würde. Insbesondere der Abschnitt über die Felsen erfordert gutes Schuhwerk und Trittsicherheit. Wenn ihr den Teil hinter euch habt, seid ihr nur noch auf mindestens gut ausgetretenen Pfaden unterwegs und habt auch keine starken Steigungen mehr vor euch. Die Wanderung ist insgesamt durchaus abwechslungsreich und landschaftlich sehr schön – tolle Ausblicke inklusive.