Eigentlich wollte Bäcker Maw nur schnell Feierabend machen. Er schien es eilig gehabt zu haben, vielleicht wollte er zu seiner Liebsten. In der Eile ließ er der Holzkohle nicht genügend Zeit, vollständig zu erlöschen. Es kam wie es kommen musste: Das Dach von Bäcker Maws Haus fing Feuer und griff rasend schnell auf die eng aneinander gereihten Nachbarhäuser über, bis schließlich ganz Aachen in Flammen stand. So war der 02. Mai 1656 nicht nur für den Bäcker aus der Jakobstraße ein Unglückstag. Der Wind drehte ein paar Mal und als schließlich ein Pulverturm in Flammen stand, flohen die Bürger aus der Stadt. Das Feuer hatte freie Bahn und zerstörte innerhalb von 24 Stunden fast 90% der Stadt. Darunter auch die Lebensmittelvorräte der Aachener. Zwar wurden sofort Hilfslieferungen aus umliegenden Städten organisiert, doch laut einer Sage entstand aus der Not heraus auch die berühmte Aachener Printe.
Die Hauptrolle spielt auch hier wieder ein Bäcker. Er erinnerte sich an ein einheimisches Gebäck, das früher vor allem Kaiser Karl sehr gut geschmeckt hatte. Doch der hatte das Originalrezept mit ins Grab genommen und die ehrbaren Aachener Bürger wollten die Totenruhe ihres ehemaligen Kaisers selbstverständlich nicht stören. Die individuellen Experimente der Bäcker brachten jedoch keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Ein Bäckerslehrling setzte sich daraufhin in den Kopf, das Rezept aus dem Grab zu holen. Da jedoch niemand den genauen Ort des Grabes kannte, ließ sich der Lehrling – wie so viele Aachener vor ihm – auf einen Deal mit dem Teufel ein: Ortsangabe des Grabes gegen Schlüssel der Schatzkammer. In der Gruft kam es zu einem kurzen Wortwechsel zwischen dem Lehrling und Kaiser Karl, der sich aufgrund seiner tiefen Liebe zu Aachen und seiner Bewohner nicht lange bitten ließ und das Rezept aushändigte. Schon kurz darauf machte der Lehrling seinen Meister reich und die Aachener satt. Doch eines Tages kam der Teufel zurück und verlangte die Aushändigung des Schlüssels. Der Lehrling bot ihm ein Backblech mit frischen Printen an, die der Teufel samt Backblech gierig verschlang. Das Ergebnis waren bitterböse Bauchschmerzen und das Verschwinden des Teufels.
Die Printen fallen wahrscheinlich jedem sofort ein, wenn er an Aachen denkt und wie ihr seht, wurde ihnen sogar eine eigene Sage gewidmet. Und soll ich euch was verraten? Es gibt auch ein Lied über die Printe- das Prenteleddche. Das Öcher Platt kennt außerdem den Prentekopp als Schimpfwort. Dabei wird der Ursprung des honigkuchenähnlichen Gebäcks im belgischen Dinant und nicht in Aachen vermutet. Das scheint Aachener und Touristen gleichermaßen allerdings herzlich wenig zu interessieren. In der ganzen Stadt werden die Printe als Aachener Nationalgebäck angepriesen und in jeder erdenklichen Form und Konsistenz verkauft – Hart- und Weichprinten, mit Schokolade und ohne… Während sich der Rest der Republik über den Frühling und Sommer hinweg schon einmal auf den Zeitpunkt freuen kann, an dem neben Schokonikoläusen und Weihnachtskugeln auch wieder die Printen in die Regale der Supermärkte wandern, ist für uns zumindest printentechnisch das ganze Jahr über Weihnachten. Das Ganze bringt aber auch den Nachteil einer regelmäßigen Geruchsbelästigung in der Nähe von Lambertz mit sich, wo fleißig Printen als Massenware gebacken werden. Das Gebäck schmeckt hömmele* Mal besser als es riecht.
Getoppt wird der Printengeruch einzig von der Marmeladenproduktion bei Zentis… Auch der Spezialist für süßen Brotaufstrich hat der Kaiserstadt eines seiner Produkte gewidmet: den Aachener Pflümli, Pflaumenmus. Sowohl Lambertz als auch Zentis bieten ganzjährig einen Werksverkauf an, den die Aachener durchaus zu schätzen wissen. Doch ungeschlagen ist wohl die Freude über den Werksverkauf des dritten Produzenten herrlicher Süßigkeiten in Aachen: Lindt! Besonders zur Vorweihnachtszeit erfreut sich der Werksverkauf großer Beliebtheit. Dann spucken massenhaft Busse Scharen von Menschen auf dem Bendplatz, der sich gleich nebenan befindet, aus. Diese Menschenscharen reihen sich in die Schlange vor dem Eingang, schaufeln haufenweise Schokolade in ihren Einkaufswagen und tragen sie in Kartons zum Bus. Wenn Menschen und Busse mit Schokolade vollgestopft sind, geht es weiter zum Weihnachtsmarkt. Die Schlacht um die Tüten mit Waren zweiter Wahl sollte man sich im Advent wirklich einmal gönnen. Einfach gucken und wirken lassen.
Apropos Schokolade: Im heutigen Couven-Museum am Hühnermarkt residierte einst die Apotheke Monheim. Wenn ihr mich fragt, war ihr Betreiber ein Held, denn er verkaufte 1857 als erster Apotheker Schokoriegel gegen Depressionen und Durchfall. Schwangere erhielten sie ebenfalls auf Rezept. Auf diese Weise entstand die Trumpf Schokolade, die ab 1895 in der Antoniusstraße hergestellt wurde. Die heutige Rotlichtstraße ist also schon länger ein sündiges Pflaster…
Wer durch Aachens Gassen zieht und dabei ein kleines Hüngerchen verspürt, dem wird geholfen. In Aachen gibt es Bäcker wie Sand am Meer, die neben Printen und üblichen Backwaren ganz sicher auch Streuselbrötchen verkaufen. Mir als Niedersächsin war das Weichbrötchen mit Butterflocken vorher nicht bekannt und so soll es wohl – laut unterschiedlicher Quellen und persönlicher, stichprobenartiger Befragungen – vielen Nicht-Aachenern auch gehen. Um Ostern herum verkaufen unsere zahlreichen Bäcker eine weitere Öcher Spezialität: den Poschweck. Das Aachener Osterbrot gibt es bereits seit dem späten Mittelalter und wurde ursprünglich gratis verteilt. In drei “Poschweck-Revolutionen” lehnten sich die Bäcker gegen diese kostenintensive Pflicht auf, doch erst seit 1888 gibt es kein “Freibrot” mehr.
Eine kleine Umfrage unter richtigen Aachen-Kennern und Leckermäulern hat folgende Liste an süßen Sünden, die man einmal begehen sollte, ergeben:
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Eine der Eistorten im Café zum Mohren probieren.
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In der Frittenbude zum Nachtisch ein frittiertes Snickers vernaschen.
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Ein Stück vom belgischen Reisfladen bei Van den Daele essen.
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Die Qual der Wahl an tollen Torten im Café Liège genießen.
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Middelbergs Baumkuchen kosten.
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Echte Geheimtipps sind auch der Feigenjoghurt im Café M, das Grüntee-Eis bei Lemongrass und das Schokosoufflé im Pippin.
Zu Kuchen und Gebäck gehört für viele auch eine richtig gute Tasse Kaffee. Rein zufällig ist Aachen auch der Sitz von Deutschlands ältester Kaffeerösterei. Der Shop von Plum’s Kaffee am Hof bietet nicht nur hochqualitativen Espresso, sondern auch die passenden Maschinen, die jeden Samstag vorgeführt werden.
Ich hoffe, euch läuft jetzt richtig das Wasser im Mund zusammen und ihr habt Lust bekommen, die süßen Seiten von Aachen einmal selbst kennen zu lernen.
*hömmele = sehr viel